Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) by Hannes Wertheim

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) by Hannes Wertheim

Autor:Hannes Wertheim [Wertheim, Hannes]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
ISBN: 9783955301835
Herausgeber: Edel:eBooks
veröffentlicht: 2013-05-23T22:00:00+00:00


7

Columba schwieg, weil sie wütend war. Die Vorhaltungen des Gewaltrichters fruchteten nichts. Sie sagte kein Wort, weder zu ihrer Verteidigung noch um zu gestehen. Sie verhielt sich klug, ohne es zu wissen. Allein ihr Zorn gegen Tringin erfüllte sie. Und ein kleiner Stich von Neid darüber, daß die Liebe der Freundin zu dem starrköpfigen Vater so groß und opferbereit war. Tringin hatte man dem kurfürstlichen Greven übergeben, der sie mit ihrem Vater zu seinem privaten Keller gebracht hatte. So war es üblich, da der Kurfürst-Erzbischof in Köln kein Gefängnis unterhielt bis auf die Hacht beim Dom, wo jedoch nur rechtskräftig Verurteilte und Todgeweihte unterkamen. Ganz soweit war es mit dem Wiedertäufer und seiner Tochter noch nicht.

»Euren Vater, Eure gute Familie in solch einen Verdacht zu bringen, ist ein Frevel ohne Vergleich!« schimpfte der Gewaltrichter, während er in seiner Kammer im Frankenturm auf und ab ging. »Dazu ein Gewand Eurer ehrwürdigen Tante, deren makelloser Ruf gerade nach Katharinas Tod von so lebenswichtiger Bedeutung ist. Wenn Ihr wüßtet, wie töricht Ihr wart.«

Zum ersten Mal blickte Columba auf. Was schwafelte dieser aufdringliche Mann da? Rebeccas Ruf in Gefahr?

»Ihr seid ein verstocktes Ding, fürwahr. Sagt endlich, was genau Ihr in der Zelle der Ketzerin vorhattet. Wir finden es ja doch heraus, wenn wir Tringin erst auf der Streckbank haben. Die Wahrheit läßt sich nicht verbergen. Beim ersten Gliederreißen, beim ersten Springen einer Sehne verfallen selbst die Verstocktesten in einen Geständnisrausch, und dann gnade Euch Gott.«

Drohend beugte sich der Mann über Columba, beide Arme auf die Lehnen ihres Stuhles gestemmt. Das Mädchen funkelte ihn aus trotzigen Augen an. Mit Vergnügen hätte sie dem feisten Kerl in seiner pompösen Amtstracht direkt ins Gesicht gespuckt.

Als er fortfahren wollte, hinderte ihn ein Klopfen an der Tür daran. Lazarus trat ein, als ein Wächter sie geöffnet hatte.

Wie verändert er aussieht, dachte Columba erstaunt. Erst nach einer Weile erkannte sie den Grund der Verwandlung: Er trug nicht mehr die spanische Uniform, sondern eine schlichte schwarzbraune, pelzverbrämte Tracht. Es war ein Reisekostüm, das ihn dunkler und geheimnisvoller erscheinen ließ, als er es ohnehin war.

»Mit Verlaub«, sagte er und verbeugte sich knapp vor dem Richter und tief vor Columba. »Ich komme aus dem Hause van Geldern und vernahm dort eine Nachricht, bei der es sich nur um einen bösen Scherz handeln kann. Es heißt, man habe die Tochter Columba verhaftet.«

Der Gewaltrichter trat hinter seinen Tisch und richtete sich zu voller Größe auf. »Ihr irrt, mein Herr. Es handelt sich gewiß um keinen Scherz. Wir fanden die hier anwesende Weibsperson in der Zelle einer Ketzerin und haben Grund zu der Annahme, daß sie der Angeklagten zur Flucht verhelfen wollte.«

Lazarus’ Gesicht blieb ausdruckslos. »Was veranlaßt Euch zu einer so abenteuerlichen Anklage?«

»Sie trug das Gewand einer Begine bei sich«, sagte der Gewaltrichter.

»Ist das ein Verbrechen? Ihre Tante ist immerhin Meisterin eines Konvents«, erwiderte Lazarus, »sicher gibt es eine einfache Begründung.«

Ungeduldig winkte der Gewaltrichter ab. »Die Begründung ist einfach genug. Im Augenblick ihrer Verhaftung trug die beklagte Tringin das Gewand. Die beiden Frauenspersonen hatten die Kleider getauscht.



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